Jüdisches Leben bis 1941

Von 1892 bis 1971 reicht die Geschichte der Gebäude Ohestraße 8 und 9. Bis ca. 1941 wurden die Häuser als jüdisches Gemeinde- und Bildungszentrum genutzt.

Jüdische Lehrerbildungsanstalt 1892 – 1923

Die Errichtung des Gebäudes Ohestraße 8 ist untrennbar mit der Person Moritz Simon (1837-1905) verbunden. Das Interesse des hannoverschen Bankiers zielte darauf ab, durch Erziehung jüdischer Kinder eine Hinwendung zu Handwerk und Landwirtschaft zu erreichen. Der von ihm gegründete „Verein zur Förderung des Gartenbau- und Handfertigkeitsunterrichts in der jüdischen Volksschule“ kaufte in der Ohestraße ein großes Gartengrundstück, auf dem 1892 ein neues Gebäude für die jüdische Lehrerbildungsanstalt errichtet wurde. Zeitgleich gründete Simon die Gartenbauschule in Ahlem, die sich zu einer der bedeutendsten jüdischen Einrichtungen Hannovers entwickeln sollte. 

Damals war die Lehrerausbildung kein akademisches Studium, sondern eine schulische Ausbildung. Sie bestand aus einem zweijährigen Vorbereitungskurs (Präparandenklasse) und einem dreijährigen Lehrgang mit Übungsschule. Das Internat zur Unterbringung der Seminaristen befand sich im Nebenhaus Ohestraße 10. 

Der 1. Weltkrieg und seine Folgen zerstörten die finanziellen Voraussetzungen und führten mit dem Ende des Schuljahres 1921 zur Auflösung der jüdischen Lehrerbildungsanstalt. 

Weitere jüdische Fürsorge- und Bildungseinrichtungen

Nach dem Ende der Lehrerbildung ging das Gebäude in den Besitz der jüdischen Gemeinde, der Synagogengemeinde Hannover über, die hier schon 1911 ihre zweite Religionsschule eingerichtet hatte. In den 20er Jahren kamen weitere Einrichtungen wie Büros oder die Notstandsküche hinzu, da die Synagogengemeinde nach Krieg und Inflation ihre Fürsorgearbeit intensivieren musste. 1928 wurden z.B. in der sogenannten Notstandsküche täglich ca. 120 Mahlzeiten an Bedürftige ausgegeben.

Mit der Machtübergabe an die Nationalsozialisten und der zunehmenden Entrechtung und Ausgrenzung der jüdischen Bevölkerung war die hannoversche Synagogengemeinde zunehmend auf ihre Gebäude in der Ohestraße angewiesen. So wurde hier 1937 die Zentralstelle für Wohlfahrtspflege eingerichtet, die die Tätigkeit von über 20 wohltätigen jüdischen Vereinen und Stiftungen zusammenfasste.

Kindergarten und Kinderhort in der Ohestraße 9

Auf dem hinter dem Gebäude Nr. 8 liegenden Teil des Gartengrundstücks Ohestraße 9 baute im Jahre 1913 die „Alexander und Fanny Simon‘sche Stiftung“ einen Kindergarten und Kinderhort – nach Plänen des bedeutenden Architekten Heinrich Tessenow (1876-1950). Die Gründung der wohltätigen Stiftung zum Andenken seiner Eltern hatte Moritz Simon testamentarisch verfügt. Ganz in seinem Sinn umfasste der Kindergarten auch Gärten und Werkstätten.

Kriegsbedingt konnte der „Martha-Fischer-Kindergarten“ erst 1925 mit 50 Plätzen für 3 bis 6-Jährige eröffnet werden. Träger war der Israelitische Frauenverein. Auch der Kinderhort im gleichen Gebäude umfasste rund 50 Plätze. Im selben Jahr wurde dort auch eine sogenannte Studentenküche der Zentralstelle für Wohlfahrtspflege mit 60 Plätzen eröffnet. 

Jüdische Volksschule 1940/41

In den Jahren 1939/40 wurde es im Gemeindehaus Lützowstraße 3 zu eng für die 1935 dort eingerichtete jüdische Volksschule. Immer mehr Gemeindemitglieder zogen dort ein, da sie von ihren „arischen“ Hausbesitzern vor die Tür gesetzt worden waren. Daher wurde im April 1940 die Volksschule in die Ohestraße 8 verlegt und dort der Unterricht bis Anfang September 1941 weitergeführt. Aus dieser Zeit sind bewegende Fotos von Schüler*innen überliefert, die in der Ohestraße entstanden sind. Die meisten dieser Kinder und Jugendlichen wurden wenige Monate später deportiert und ermordet.

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Quellen:

Wolfgang Marienfeld, Jüdische Lehrerbildung in Hannover 1848 – 1923, Hannoversche Geschichtsblätter 1982, Hannover 1982

Hans-Dieter Schmid (Hrsg.), Ahlem, Die Geschichte einer jüdischen Gartenbauschule, Bremen 2. Ergänzte Auflage 2017

Peter Schulze, Beiträge zur Geschichte der Juden in Hannover, Hannoversche Studien, Schriftenreihe des Stadtarchivs Hannover, Band 6, Hannover 1998